Demo gegen den Frauenabschiebeknast

Gegen den rassistischen und sexistischen Normalzustand

Vergangenen Sonntag, den 25. November, demonstrierten etwa 200 Menschen gegen den in der Bundesrepublik einzigen Frauenabschiebeknast in Neuss. Der 25. November wurde 1982 von lateinamerikanischen Frauen zum internationalen Kampftag gegen Gewalt gegen Frauen erklärt. Dieser Tag begründet sich auf der Vergewaltigung und Ermordung von drei Frauen aus der Dominikanischen Republik, die 1960, als sie politische Gefangene besuchen wollten, von Militärs verschleppt und später vergewaltigt und getötet wurden.

Den Frauenabschiebeknast in Neuss gibt es seit 1993. Seit der damaligen faktischen Abschaffung des Asylrechts ist es für Flüchtlinge kaum noch möglich in Deutschland ein Bleiberecht zu bekommen, d.h. sie gehen „freiwillig“ oder werden abgeschoben. Um die Abschiebung sicherzustellen, werden viele Flüchtlinge in spezielle Abschiebeknäste gesperrt. Nach §57 des Ausländergesetzes werden Flüchtlinge in Abschiebehaft genommen, wenn sie versucht haben, sich ihrer Abschiebung zu entziehen oder der „begründete Verdacht“ dazu besteht. Solch ein Verdacht besteht z.B. dann, wenn bestimmte Fristen oder Termine nicht eingehalten wurden oder Flüchtlinge keine gültigen Papiere besitzen. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Ausländeramtes, genauer des/der jeweiligen BeamtIn. In der Praxis werden die gesetzlichen Regelungen, die schon rassistisch genug sind, oft genug umgangen, so dass es beispielsweise vorkommt, dass ein Flüchtling während eines regulären Termins beim Ausländeramt von der Polizei verhaftet wird. Das Internieren von Menschen in Abschiebeknästen ist nur der Gipfel der rassistischen Sondergesetzgebung in der BRD, die immer wieder zum Tod von Flüchtlingen führt. Aus Angst vor der drohenden Abschiebung haben sich seit 1993 mindestens 45 Menschen in Abschiebehaft das Leben genommen.

Frauenabschiebeknast Neuss

Im Knast in Neuss sind momentan zwischen 70 und 80 Frauen, darunter Schwangere und Minderjährige, inhaftiert. Die medizinische Versorgung ist unzulänglich und wird von einem Sanitäter geleistet, obwohl die Frauen schon lange eine Sanitäterin fordern. Die Besuchszeiten sind stark eingeschränkt, nur einmal die Woche für eine Stunde darf frau Besuch bekommen und auch um das Telefonieren muss gekämpft werden. In der Regel wissen die Frauen nicht, warum sie inhaftiert worden sind, sie bekommen keine Informationen über ihr Verfahren, ihre Haftgründe und ihre Rechte; auch die Dauer der Haft, meistens mehr als sechs Monate, ist für sie nicht absehbar.

Gründe für Frauen aus ihrem Herkunftsland zu fliehen gibt es genug. Sie fliehen vor sexueller Gewalt, vor politischer Unterdrückung, vor Krieg, vor Armut. Geschlechtsspezifische Fluchtursachen werden aber von den deutschen Behörden nicht als Asylgrund anerkannt. Aktuelles Beispiel ist Afghanistan: patriarchale Verfolgung, die Verfolgung durch die Taliban oder das Verbot für Frauen, sich zu bilden und zu arbeiten ist in Deutschland kein Asylgrund. D.h. in Deutschland bleibt den Frauen, die trotzdem flüchten, oft nur die Wahl zwischen Heirat, Abschiebung oder Illegalität. Die Frauen, die sich für ein Leben in Illegalität entscheiden, d.h. keine Rechte beanspruchen können, leben in permanenter Angst aufgegriffen und abgeschoben zu werden. Zudem bedeutet ein Leben in Illegalität für die Frauen Ausbeutung, Erpressung und Erniedrigung in Haushalten, Ehen, der Gastronomie und in der Sexarbeit. Der Frauenabschiebeknast in Neuss ist also nicht nur ein Symbol der rassistischen Einwanderungspolitik der BRD, sondern gleichzeitig Symbol einer Einwanderungspolitik, die patriarchale Unterdrückungsverhältnisse nicht als Flucht- und Migrationsgrund anerkennt, sondern im Gegenteil, Sexismus und Rassismus in der eigenen Gesellschaft reproduziert.

Verschärfung des rassistischen Klimas

Maßnahmenkataloge wie Schilys Sicherheitspakete, die nach dem 11. Sepember durchgesetzt wurden, sind ein Vorstoß, um Überwachungs- und Kontrollstrategien auf alle BürgerInnen anzuwenden. Für Asylsuchende sind sie längst gängige Praxis. Schon seit Beginn der 90er Jahre gilt für MigrantInnen das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ nicht mehr. Erkennungsdienstliche Behandlung, Speicherung und Weitergabe persönlicher Daten und ihre Erfassung im Schengener Informationssystem gehören für Asylsuchende zum üblichen Antragsprozedere. So soll gewährleistet werden, dass MigrantInnen sich nicht normabweichend verhalten, und so wird gleichzeitig eine schnelle Entledigung/ Abschiebung sichergestellt. Neu ist, dass in Zukunft Einreiseverbote für Menschen verhängt werden, die „terroristischer“ bzw. „extremistischer“ Aktivitäten verdächtigt werden; Menschen, die verdächtigt werden, „extremistische Organisationen“ zu unterstützen, werden ausgewiesen. Nachgewiesen werden muss den MigrantInnen diese „extremistische“ Tätigkeit selbstverständlich nicht.

Die Sicherheitsdebatte trägt zu einer weiteren Verschärfung des rassistischen Klimas in Deutschland bei. Schon wenige Tage nach den breit angelegten Razzien gegen angebliche Verdächtige, die mit den Anschlägen am 11. September in Verbindung gebracht wurden, nahmen Pöbeleien und Übergriffe auf arabisch aussehende Menschen zu.

am

geklaut aus: bsz, 28.11.01

[Dez2001]
 
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